Heimliche Bewohner unter dem Dach

Mückenfledermaus bei ihren ersten Flugversuchen
Mückenfledermaus bei ihren ersten Flugversuchen (Foto: K. Börgmann)

Wenn es allabendlich zur Frühlingszeit unter dem Dach geheimnisvoll zu tuscheln und zu rascheln beginnt und eigenartige kratzende und wispernde Geräusche die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, die Bilder von Kobolden und Gespenstern vor das innere Auge heraufbeschwören, könnte es sein, dass die eigene Wohnstätte als DER ideale KITA-Standort für Fledermäuse auserkoren wurde. 

 

Jedes Jahr vom Mai bis in den Sommer hinein versammeln sich hierzulande die weiblichen Vertreter verschiedener 

Fledermausarten wie der Breitflügel-, der Zwerg-, der Kleinen wie Großen Bartfledermaus oder auch das Maus- und das Langohr in sogenannten Wochenstuben, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Die sie mit – für diese archaisch-unheimlich anmutenden Tiere – erstaunlich hingebungsvoller Fürsorge großziehen.

 

Die Quartiere, wie die Fledermaus-KITAS gemeinhin im Fachjargon benannt werden, sind von besonderem Interesse für den Artenschutz und damit auch für die FLEDERMAUS AG FRIESLAND-WILHELMSHAVEN, be-stehend aus Mitgliedern von NABU und BUND. 

 

Auch im Sommer 2017 zogen aktive Artenschützer erneut zu später Stunde los, im Stadtgebiet von Wilhelmshaven sowie dem friesländischen Landkreis, ausfliegende Fledermausexemplare zu zählen. Dabei ging es um die Artbestimmung und die Ermittlung der Anzahl der Tiere. Nicht nur Graf Zahl hätte seine wahre Freude an diesem Tun. 

 

Natürlich ist dies auch immer wieder eine Gelegenheit für die Hausbe-sitzer mit den ehrenamtlichen Fledermausschützern zu sprechen und sich auszutauschen. 

Der NABU gibt immer gern Auskunft über Fragen zum Artenschutz und zu besonderen Maßnahmen rund um das Thema Fledermaus (Tel. 04421 / 9839911) 

Auch mit-zählende Liebhaber der lichtscheuen Tiere - ob mit oder oh-ne Vorkenntnisse - sind gern gesehene Mitstreiter im Team. 

So bot sich auch in diesem Sommer 2017 drei Monate lang an vielen Orten ein ähnliches Bild: nach Sonnenuntergang ließen sich Gruppen vermummter Gestalten (der Sommer war kalt!) vor – meist modernen, flachgedeckten - Gebäuden oder Einfamilienhäusern beobachten, be-stückt mit Detektoren und Notizblöcken, erwartungsvoll den Blick zum Himmel erhoben. Dabei handelte sich weniger um Sektenanhänger bei der Ausübung ominöser schwarzmagischer Rituale, das nahende Ende der Welt erwartend, denn um eher freundlich und harmlos gesonnene Mitglieder einer NABU-Zähltruppe, die auf den Moment warteten, in dem die nachtschwärmenden Fledertiere- eines nach dem anderen - ihr Quartier zur Futtersuche verlassen würden.

Nur in diesem Moment kann der Beobachter die Anzahl der Tiere an einem Standort verlässlich bestimmen. 

Vorausgesetzt das Equipment stimmt, denn ohne Detektor, der keinen Zweifel an der Gegenwart einer stets echoortenden Fledermaus lässt, hat der nachtentwöhnte Betrachter keine Chance, alle schemenhaft entfleuchenden Quartierbewohner zu bemerken und zu bestimmen. Geheimnisvoll verstohlen entschlüpfen die Schwärmer der Nacht ihrer Behausung. Bram Stoker konnte die Assoziation seiner mystisch-geheimnisvoll agierenden Untoten mit den sich aus Dachritzen und Spalten herausschälenden Flugtieren nicht treffender wählen. Wobei lautlos natürlich relativ ist: könnten wir die Schallwellen der umtriebigen kleinen Geister wahrnehmen, entspräche die Lärmbelastung durch die nächtlichen Flieger mindestens der einer Baustelle am ONE WORLD TRADE CENTER in Manhattan. Das koboldhafte Rascheln und Fauchen der Mitbewohner ist nur im Hausbereich selbst wahrnehmbar, wenn die Tiere über sogenannte, für das menschliche Ohr wahrnehmbare Soziallaute miteinander kommunizieren. Dort geht es zu, wie in jeder Großfamilie: es wird gezankt, geschubst und hie und da streng durch den Betreuer durchgegriffen. Die Kleinsten werden von allen Müttern gemeinsam behütet. Mütter, Tanten, Nachbarinnen und Großmütter wechseln ihre Zuständigkeiten flexibel ab, so dass jede Hebamme einmal die Gelegenheit erhält, ihre lebensnotwendigen Jagdausflüge zu unternehmen. Männliche Artgenossen sind von der Kinderaufzucht übrigens ausgeschlossen. Es geht streng konservativ zu im Fledermausalltag. 

 

2017 lagen zahlreiche Hinweise auf Fledermäuse in Häusern vor, denen, wie jedes Jahr, akribisch nachgegangen wurde. Wer die Fledermauszählung liebt, entwickelt sich schnell zu einem passionierten „Jäger“ der verlorenen Arten. 

Auch Misserfolge zählen zum Alltag der Fledermausfreunde. 

 

Fledermauskundler auf der Suche
Fledermauskundler auf der Suche (Foto: K. Börgmann)

Gelegentlich kommt es vor, dass ein Quartier umsonst über mehrere Nächte hinweg observiert wird. Mal stimmt das Wetter nicht: … auch eine Fledermaus vermeidet es, bei Regen und Sturm ihre winzige Nase zur Tür, Pardon Dachpfanne, hinauszustrecken. Mal spielen dem Su-chenden auch das eigene Wunschdenken und die nicht für nächtliche Erkundungen ausreichenden menschlichen Sinne einen Streich: so manch beliebter Quartierplatz schien daher leer und verlassen. 

Diese Schwankungen kommen vor, sind aber ungewöhnlich. In der Regel sind die Tiere sehr standorttreu und kehren jedes Jahr an denselben bekannten, schutzbietenden Ort zurück. Dies spricht für die große Bedeutung der Quartierbewahrung – im Falle eines Teichfledermausquartiers in Rüstersiel mit seiner überdurchschnittlich hohen Anzahl von Tieren besitzen wir einen etwa 25 Jahre alten Nachweis einer kontinuierlich besetzten Wochenstube. Ein wichtiges Indiz!

 

Insgesamt wurden inzwischen zwischen Altgarmssiel und Mariensiel 19 Fledermausquartiere bestätigt - Wilhelmshaven einbeschlossen - bei de-nen es sich zum überwiegenden Teil um Wochenstuben handelte. Dabei erfassten die Zählungen des Jahres 2017 insgesamt sensationelle 1400 (!) ausfliegende Fledermäuse. 

 

Bei dem individuenstärksten Quartier handelte es sich um den oben er-wähnten Teichfledermausstandort. Über eine Stunde zog sich bei Zählungen der Ausflug der 418 Tiere bis tief in die Dunkelheit hinein. Quantitativ und qualitativ betrachtet ein besonderes und faszinierendes Naturerlebnis! 

Vermutlich handelte es sich bei diesem Quartier gar um die größte bekannte Wochenstube dieser Art in Deutschland. 

Auch Winterquartiere – diese häufig in Bunkern oder auf Dachböden an-gesiedelt - werden oftmals über einen langen Zeitraum von Jahren und Jahrzehnten genutzt und stellen wichtige Ansatzpunkte für einen effektiven Artenschutz dar. 

Der NABU möchte auch an dieser Stelle ganz nachdrücklich betonen: es gilt unbedingt, diese wertvollen Areale wirkungsvoll und dauerhaft zu schützen!! 

Sollten Sie also eine mitbewohnende, muntere Koboldfamilie unter ihrem Dach wohnen haben, freuen Sie sich über diese besonderen, erlesenen Gäste. Sie sind ein millionenaltes Völkchen (Forscher entdeckten unlängst gar ein fledermausartiges Exemplar aus dem Mittleren-Oberen Jura, einer Zeit vor rund 174 bis 145 Millionen Jahren) mit beachtlichen Fähigkeiten, die uns Menschen recht unbedeutend erscheinen lassen. Nicht alles ist mit menschlichen Maßstäben messbar. 

 

Die Fledermausquartiere lösen sich ab August auf und die Jungtiere ent-schlüpfen in die frühe Eigenständigkeit. Ab September schwärmen die adulten Exemplare bereits wieder aus, um den neuen Paarungstanz zu voll-führen - aber das gehört zu einer anderen Geschichte… 

 

[Text: Maren Torhoff, NABU Wilhelmshaven] 

 

Braunes Langohr - Foto Klaus Börgmann
Braunes Langohr - Foto Klaus Börgmann
Großes Mausohr - Foto: Klaus Börgmann
Großes Mausohr - Foto: Klaus Börgmann
Fransenfledermaus - Foto: Klaus Börgmann
Fransenfledermaus - Foto: Klaus Börgmann

Fledermausschutz

Als spezialisierte Säugetiere ernähren sich Fledermäuse ausschließlich von Insekten. Sie jagen nachts und schlafen tagsüber.

Gebäuderenovierungen, Fällen hohler Bäume, verschließen von Stollen und Höhlen und Einsatz von Giftstoffen führten in den letzten Jahren in steigendem Maße zur Vernichtung geeigneter Sommer- und Winterquartiere.

In Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde, hat die NABU-Kreisgruppe Wilhelmshaven e. V. bekannte bzw. potentielle Fledermausquartiere gesichert.

Bei Fragen und Problemen zum Thema Fledermäuse wenden Sie sich bitte an:

  

Klaus Börgmann

                       04423 – 91 40 99 oder 98 (AB)

                              Klaus_boergmann@yahoo.de

 

 

 

Mehr  zum Fledermausschutz

 

Seit über 50 Millionen Jahren gibt es Fledermäuse in Deutschland - die letzten 50 Jahre hat der Mensch sie allerdings an den Rand der Ausrottung gebracht.

 

Weltweit gibt es 900 Fledermausarten. Breitflügelfledermaus, Zwergfledermaus und Großer Abendsegler sind die häufigsten Vertreter der in Niedersachsen vorkommenden 17 heimischen Arten. Nahrungsmangel, zum Beispiel durch den Einsatz von Insektiziden oder durch den Verlust an landschaftlicher Vielfalt, Quartierverlust und -mangel sind die wichtigsten Ursachen für einen dramatischen Rückgang der Fledermauspopulationen in Deutschland.

Nach ihrem Winterschlaf, der bis zu sechs Monate andauern kann, gehen unsere Fledermäuse vom Frühjahr bis in den Herbst immer nachts auf die Jagd. Auf dem Speiseplan der heimischen Arten stehen fast ausschließlich Insekten. Jede Nacht brauchen sie Insektennahrung und fressen Mengen, die etwa ein Drittel des eigenen Körpergewichtes ausmachen - bis zu zehn Gramm pro Einzeltier; ca. zwei Pfund in den Sommermonaten.

Nahezu lautlos flattert die Fledermaus durch die Dunkelheit und vertilgt Nachtfalter und Mücken. Bei der Jagd verlässt sich die Fledermaus, auch wenn sie verhältnis-

mäßig gut sehen kann, auf ihren Gehörsinn. Mit ihrer berühmten Ultraschallecho-Ortung orientiert sie sich und erfasst ihre Beute. Durch Mund und Nase werden Ultraschalllaute ausgestoßen und anhand der Echos Distanz, Richtung, Größe, Form und Struktur des Beuteinsekts analysiert. Leider lauert in der Beute auch eine Gefahr: Insekten sind vielfach durch Pflanzenschutzmittel oder andere Chemikalien belastet. Die mit der Nahrung aufgesammelten Gifte häufen sich im Fledermauskörper und schwächen die Tiere selbst oder den Nachwuchs. So stehen alle diese wendigen Flieger auf der Roten Liste, einige Arten sind vom Aussterben bedroht.

 

Quartierverlust und -mangel sind weitere Faktoren die unsere Fledermausarten in der Existenz gefährden. Winterquartiere in Höhlen, Stollen oder Kellern wurden verschlossen oder die Tiere dort immer wieder gestört. Sommerliche Tagesschlafplätze fehlen, unter anderem weil in den bewirtschafteten Forsten kein Altholzbestand geduldet wurde. In Dachstühlen verenden die in Kolonien lebenden Säugetiere, wenn zum Beispiel giftige Holzschutzmittel eingesetzt werden oder sie werden vertrieben, weil die Dächer hermetisch verschlossen werden. Auch der Straßenverkehr fordert Opfer unter den Fledermäusen: Mit ihrem sonst so perfekten Ortungssystem können sie sehr schnelle Objekte wie Autos, anscheinend nicht richtig erfassen. Die Zahl der zufällig gefundenen Unfallopfer ist vermutlich nur ein winziger Bruchteil der tatsächlichen Zahl.

 

Alle heimischen Fledermäuse jagen und orientieren sich mit Hilfe der so genannten Ultraschall-Echo-Ortung. Die Laute werden in einem Bereich von etwa 20 bis zu 100 Kilohertz (Khz) erzeugt. Jede Fledermausart hat dabei ihre besondere Rufcharakteristik und nutzt bestimmte Frequenzbereiche. Sie sind allesamt für den Menschen nicht wahrnehmbar, denn die menschliche Hörfähigkeit endet bei ca. 16 - 18 Khz. Der "Bat-Detektor" überbrückt genau diesen menschlichen Schwachpunkt, indem er die hochfrequenten Rufe der Fledermäuse in hörbare Laute abwandelt. Mit dem "Bat-Detektor" lassen sich die Tiere nun beobachten, die sonst im nächtlichen Dunkel verborgen, lautlos nach Insekten jagen.

Nächtliche Exkursionen mit dem Bat-Detektor zu Fledermaus-Jagdrevieren in Wilhelmshaven werden von NABU-Fledermauskundlern angeboten.

 

Aufgabe der heutigen Fledermausforschung ist es u. a. mit Hilfe der Bat- Detektoren festzustellen, wo die zurückgezogen lebenden Tiere ihre Quartiere haben, wo sie jagen und über welche Strecken (bis zu zwanzig Kilometer!) sie die Jagdgebiete erreichen.
Nach dem Motto: "Wir können nur schützen, was wir kennen!" ist es dann möglich Quartiere und Einflugmöglichkeiten zu sichern, vielfältige Strukturen unserer Land-

schaft, wie Hecken und Alleen, zu erhalten und auszubauen, sowie Hilfestellungen für Hausbesitzer bei Umbau und Renovierung zu geben. Das Anbringen von Fledermaus-

kästen hilft als ein Ersatz für fehlende natürliche Quartiere in Wäldern, dort wo zum Beispiel Spechthöhlen in alten Bäumen fehlen.

 

Nur ein Teil der 23 in Deutschland vorkommenden Arten suchen im Sommer die menschliche Nähe. Die Dachböden oder andere Unterschlupfmöglichkeiten in Häusern bieten den Tieren als Ersatzhöhlen optimale Bedingungen für die Aufzucht des Nachwuchses. Fledermäuse bringen im Frühsommer ihre Jungen zur Welt. Sie brauchen möglichst zugluftfreie, warme und störungsfreie Plätze. Einige Arten, wie das Große Mausohr, hängen frei an den Dachbalken, andere nutzen engste Spalten zwischen den Pfannen oder hinter der Fassadenbekleidung als Quartier. Oft sind es die Wochenstuben der Fledermäuse, ein Zusammenschluss von Weibchen einer Art, die den Sommer getrennt von den Männchen leben und gemeinschaftlich ihre Jungen aufziehen.

 

Eher selten verraten sich die anwesenden Fledermäuse durch Geräusche. Häufiger finden sich unter ihren Hangplätzen ihre Hinterlassenschaften in Form von trockenen, durch Chitinreste glänzenden Kots oder Überbleibsel von Beuteinsekten. Diese Spuren können jedoch einfach weggefegt oder als hochwertiger Pflanzendünger im Garten sogar genutzt werden. Weitere Schäden verursachen die nützlichen Insektenjäger nicht, denn sie nagen nicht an Holz, zerbeißen keine Kabel oder zerstören keine Isolierung.

 

Die Gebäudenutzung durch Fledermäuse ist saisonal. Wenn nicht schon vorher das Quartier gewechselt wurde, lösen sich gegen Ende August, mit Beginn der Balzzeit, die Wochenstuben auf. Bis dahin sind die Jungtiere nach anfänglichen Flugversuchen auf dem Dachboden schon längst flugfähig. Sie werden nicht mehr gesäugt und jagen selbständig Insekten.

 

Der NABU Wilhelmshaven ist auf der Suche nach solchen Fledermausquartieren. Falls jemand weiß, wo  Fledermäuse zur Untermiete wohnen, würde sich der NABU über eine Mitteilung unter der  Tel.Nr.  04423 – 91 40 99 oder 98 (AB)   oder per e-mail  sehr freuen.

 

Breitflügelfledermaus   -   Foto: E. Menz / NABU
Breitflügelfledermaus - Foto: E. Menz / NABU
Zweifarbfledermaus   -  Foto:  K. Börgmann/ NABU
Zweifarbfledermaus - Foto: K. Börgmann/ NABU